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Klimawandel in der Herbertstraße


Hamburg by Rickshaw - Kiez Spezial I - Herbertstraße

Mobilitätswende 2.0

Lust auf Wandel


Es war ein lauer Sommerabend, und die Reeperbahn erwachte in all ihrer glitzernden Pracht zum Leben. Die bunten Lichter der Bars und Clubs tauchten die Straße in ein verführerisches Schimmern, das die Schatten der Nacht tanzend über die Gehwege huschen ließ. Ich schlenderte langsam die belebte Meile entlang, ließ das vibrierende Treiben um mich herum auf mich wirken. Die Stimmen, das Lachen, die Musik – es war, als pulsierte der ganze Stadtteil im Takt eines unsichtbaren Herzschlags.

Als ich die Reeperbahn hinter mir ließ und in die schmale Gasse der Herbertstraße einbog, veränderte sich die Atmosphäre schlagartig. Hier, in dieser legendären Straße, war die Luft dicker, die Geräusche gedämpfter, und doch spürte man eine unbestimmte Spannung, die den Ort durchzog. Die Herbertstraße, bekannt für ihre langen Fensterreihen und das diskrete Angebot der ältesten Profession der Welt, hatte etwas Zeitloses, beinahe Mythisches.

„Moin, moin, Fremder!“ Eine rauchige Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Es war Klara, die Königin der Straße, die lässig auf einem gepolsterten Barhocker vor ihrer Tür saß. Ein Glas Champagner in der Hand, winkte sie mich zu sich heran. Ihr Lächeln war einladend, doch ihre Augen verrieten eine tiefere, nachdenkliche Seele. „Komm rein, lass uns ein wenig plaudern. Ich hab da was Neues für dich.“

Neugierig trat ich ein und ließ mich auf einem alten Ledersofa nieder. Klara reichte mir ein Glas Champagner, das ich dankend annahm. „Was hast du diesmal für eine Überraschung, Klara? Noch ein revolutionäres Projekt wie die Solarzellen auf deinem Dach?“ Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Klara lachte leise, ihre Stimme klang warm und vertraut. „Ach, die Solarzellen… Ja, die sind schon ein gutes Stück. Aber jetzt planen wir etwas noch Besseres. Stell dir vor, wir wollen eine Rikscha-Flotte aufbauen. Die Mädels werden ihre Freier umweltfreundlich durch die Gassen fahren. Kein Benzin, keine Abgase – nur Muskelkraft, etwas Haut und ein bisschen Strom aus nachhaltiger Energie. Und du glaubst gar nicht, wie viele Männer darauf stehen, mal in einem ganz anderen Sinn nachhaltig romantisch bewegt zu werden.“

Ich hob überrascht die Augenbrauen. „Rikschas auf der Reeperbahn? Das ist… unerwartet. Aber irgendwie auch passend.“

Klara lächelte verschmitzt. „Ja, so ist es. Die Jungs von den Clubs haben sich am Anfang lustig gemacht. Aber als sie merkten, wie viele Gäste begeistert einsteigen, wurden sie plötzlich ganz still. Man muss mit der Zeit gehen, oder? Selbst hier, wo die Tradition tief verwurzelt ist.“

„Aber Klara,“ fragte ich nachdenklich, „was hat das alles mit dem Klimawandel zu tun? Glaubst du wirklich, dass er hier auf der Reeperbahn eine Rolle spielt?“

Sie stellte ihr Glas ab und lehnte sich zurück, nachdenklich und ernst. „Weißt du, mein Lieber, die Welt verändert sich, und wir müssen uns mit ihr verändern. Die Zeiten, in denen wir einfach nur unseren Job gemacht haben, ohne uns um den Rest zu kümmern, sind vorbei. Hier reden die Mädels jetzt auch über den steigenden Meeresspiegel und das schmelzende Eis. Wir haben es satt, einfach nur die Opfer einer Situation zu sein, die wir nicht beeinflussen können. Jetzt wollen wir selbst mitgestalten. Sogar den Müll trennen wir mittlerweile sorgfältig. Gummi, Glas, Bio – alles hat seinen Platz. Es ist uns wichtig, Verantwortung zu übernehmen, auch in den kleinen Dingen des Alltags.“

Ihre Worte beeindruckten mich. Es war faszinierend zu sehen, wie diese Frauen, die oft auf eine Rolle reduziert werden, in Wahrheit viel mehr waren – denkende, fühlende, kreative Wesen, die ihre Umwelt aktiv mitgestalten wollten.

„Süße Sina hat mir neulich erzählt,“ fuhr Klara fort, „dass einer ihrer Freier meinte, St. Pauli könnte eines Tages unter Wasser stehen. Sie hat ihm nur geantwortet, dass sie schon längst mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht. Aber die Idee hat sie nicht losgelassen. Jetzt überlegt sie, einen Teil ihrer Einnahmen in den Schutz des Stadtteils zu investieren. Denn am Ende des Tages wollen wir alle, dass es weitergeht – für uns und für die, die nach uns kommen.“

Ich nickte, tief beeindruckt von dieser neuen Perspektive. „Es ist unglaublich, wie ihr euch hier auf der Reeperbahn weiterentwickelt. Ihr verbindet das Alte mit dem Neuen, das Sinnliche mit dem Bewussten.“

„Genau,“ sagte Klara, während sie mir erneut Champagner einschenkte. „Wir sind keine starren Figuren in einem Museum. Wir sind lebendig, wir atmen, und wir passen uns an. Der Klimawandel mag eine Bedrohung sein, aber wir lassen uns nicht unterkriegen. Im Gegenteil – wir machen ihn zu einem Teil unserer Geschichte. Und wenn es dabei ein bisschen heißer wird…“ Sie zwinkerte mir zu, „…dann wissen wir doch alle, wie wir mit Hitze umgehen, oder?“

In diesem Moment trat Hannes, der alte Seebär, in die Bar. „Na, was erzählt euch die Klara da Schönes?“ Er grinste breit und hob sein Glas. „Auf heiße Nächte und kühle Köpfe, oder was?“

„Genau so ist es, Hannes,“ antwortete ich lachend und stieß mit ihm an. „Die Reeperbahn wird sich niemals unterkriegen lassen – nicht vom Wandel der Zeit, nicht vom Klimawandel.“

Und während die Nacht draußen fortschritt und die Straßen wieder von den Lichtern und Stimmen der Feiernden erfüllt wurden, saß ich mit Klara und Hannes zusammen, trank Champagner und wusste, dass dieser Ort niemals seine Bestimmung verlieren würde – selbst in einer Welt im Wandel.